Neppomuk's Rache
Auszeichnungen: AT 4x Platin, DE 1x Platin, CH 1x Gold
LP: 1990 DE (EMI Columbia 7943491) (VÖ: 21.05.1990)
LP: 1990 DE (EMI Columbia 7943491, mit Aufkleber „Neppomuk präsentiert die Superhits: Ding Dong, Samurai, Einer geht um die Welt“)
LP: 1990 DE (EMI Columbia 7943491, Club-Sonderauflage 25183-5)
MC: 1990 EU (EMI 7943494, Club-Edition 67631-2)
MC: 1990 NL (EMI Columbia 7943494)
MC: 1990 NL (EMI Austria 7943494)
CD: 1990 DE (EMI Columbia 7943492)
CD: 1990 CH (EMI Columbia 7943492)
CD: 1991 NL (EMI Columbia 7943492)
- Intro-Nepp
- Wo ist der Kaiser? [Single] [I]
- Ding Dong [Single] [I]
- Neppo 1
- Arrivederci
- Es fährt kein Zug [I]
- Moses & das Rote Meer
- S'Muaterl [Single]
- Einer geht um die Welt [Single] [I]
- Die Wildsau
- Samurai [I]
- Es steht ein Haus in Ostberlin [Single] [I]
- Neppo 2
- Würschtlstand [Single] [I]
- Vorbei [I]
- Neppofin
Single-Auskopplungen und Videos [Übersicht]
- Es steht ein Haus in Ostberlin (1989)
- Ding Dong (1990)
- Samurai (1990)
- Einer geht um die Welt (1990)
- s'Muaterl (1991)
- Neppomuk-Tournee 91 (1991)
Bemerkungen
Den Namen des Albums erklärt Klaus Eberhartinger in „X-Large Spezial“ (13.05.1990) herrlich blödsinnig so: „Es war eigentlich ein Dreiteiler: 'Neppomuks Niederkunft', 'Neppomuk schlägt zurück', na Moment, der zweite Teil war 'Neppomuks Rückkehr'. [...]'.“. Darauf antwortete Thomas Spitzer: „Das mit den drei Teilen stimmt absolut. Wir haben mit dem dritten Teil angefangen. Der erste Teil war 'Neppomuks Lache', das heißt, er war noch ein kleines Kind, er hat hin und wieder ein bisschen Wasser gelassen.“.
Dieses Album wurde ausführlich in Folge #27 „Spitzers Rache“ des EAV-Podcasts besprochen (inklusive vieler Hintergrundinformationen).
Rezension
Dieses Album ist eigentlich eine Frechheit. Es ist gleichermaßen eingängig und irritierend. Es ist Pop mit Inhalt, Kabarett und gleichzeitig Comedy, eine Mischung aus Unterground-Comic und Mickey Mouse. Kurz: Ein Meisterwerk. Eine Unverschämtheit ist ja bereits der Titel, das Cover tut sein übriges. Welche Band der Welt erlaubt es sich schon, Anspielungen auf die österreichische K&K-Monarchie, auf das Motiv der Rache und auf Durchfall im Albumtitel unterzubringen?
Die Overtüre „Wo ist der Kaiser?“ ist ein unfassbares Stück Musik. Es ist ein Bekenntnis, mit diesem Pop-Album die österreichische Musiktradition endgültig zu Grabe zu tragen. Und es thematisiert die komplexe Beziehung der Österreicher zu ihrer K&K-Vergangenheit. Oder anders gesagt: Es ist das österreichischte Lied der Welt, kein anderes Land auf unserem Erdball könnte ein solches Lied hervorbringen. „Grab' man aus, unseren Kaiser/kauf ma ihm an Synthesizer/und ans Schlagzeug, hudepudel,/setz' ma unsren Kronprinz Rudl.“ Dieses Land braucht einen Kaiser!
Die großen Single-Erfolge „Ding Dong“ und „Samurai“ sind prototypische Comedy-Pop-Songs ganz im unvergleichlichen Stil der EAV. Auch „Neppo 1“ ist eine wunderbar melodische Pop-Perle, der eine Auskopplung gut zu Gesicht gestanden wäre. Dass sie den Blödsinn nicht vergessen haben, zeigt die EAV mit „Einer geht um die Welt“, einer witzigen Ode an die Unpässlichkeit von Körpergasen.
Den musikalischen Höhepunkt erreicht dieses Album in der Mitte (beziehungsweise zu Ende der A-Seite): „S'Muaterl“ ist eine fast unangreifbare Ballade über die Schwächen der katholischen Amtskirche und ihrer Gottesdiener. Dieses Lied wurde von Klaus Eberhartinger bereits bei Erscheinen des Albums als eines der wichtigsten und besten Lieder der EAV bezeichnet - nicht zu unrecht. Es gehört auch heute noch zur Setlist der meisten Konzerte.
Neigt man dazu, den inflationär gebrauchten Begriff „Kult“ zu verwenden, könnte man ihn mit „Es fährt kein Zug“ in Verbindung bringen. Es ist eine krude Mischung zwischen Liebeslied, Blödellied und Seitenhieb auf die Bahn, untermalt mit einer dampflok-stampfenden Melodie.
Wenn etwas in der Welt falsch lief, ist die EAV bisher immer sehr aktuell gewesen und reagierte meist mit einem Lied darauf. So ist es auch mit „Es steht ein Haus in Ostberlin“ geschehen. Meines Wissens gibt es kein anderes Lied, das die Deutsche Einheit mit allen Vor- und Nachteilen so gut und zeitnah kommentiert, wie dieses Lied. Es geht um einen Ossi („Der Arbeiter- und Bauernstaat ist auch nicht das geworden, war er schon früher niemals war.“), der in der BRD (das „gelobte Bruderland“) sein Glück suchte. Allerdings entpuppte es sich als das Land, „wo Asyl er, doch keine Arbeit fand.“ Und „nach der ersten Euphorie“ kam die Ernüchterung auch in der BRD: „Denn sind die Arbeitsplätze knapp/schiebe Deinen Bruder ab/und zum Abschluss gibt's einen Strauß Bananen!“. Großartig ist das und viel zu wenig in der Öffentlichkeit gewürdigt!
Nach großer Weltpolitik wendet sich die EAV zu Schluss des Albums wieder der alpenrepublikanischen Sichtweise zu und hört zu, was der Stammtisch beziehungsweise der „Würschtlstand“ zur Klimakatastrophe sagt. Die Würschtlstand-Besitzerin findet das Ozonloch auf jeden Fall „klaas“, denn „dann wura'dn die Würschtln/von söba ha'ss“. Diese Art von Volksschau konnte die EAV immer schon meisterhaft.
Den Abschluss des Albums krönt der Blues eines Verstorbenen, der vom Himmel aus seine Beerdigung und die scheinheilige Trauergesellschaft betrachtet: : „Vorbei“, Und die EAV wäre ja nicht die EAV, wenn es nur ein klassischer Down-Tempo-Blues wäre, der mitsing-taugliche Refrain ist selbstredend ein „Walzer-Marsch“. Was für eine Mischung. Mit Sicherheit nicht nur wegen des hervorragenden Textes, sondern auch vor allem wegen der Musik gehört dieses Lied zum Besten, was die Verunsicherung je hervorgebracht hat.
Was ist „Neppomuk's Rache“ nun für ein Album? Warum ist es so großartig? Ist es ein Konzeptalbum? Auf keinen Fall. Zu den Themen Diarrhoe und Monarchie gibt es nur jeweils ein Lied (Gott sei Dank :-)). Ist es ein Pop-Album voller Single-Erfolge? Nein. Selbst der große Verkaufserfolg von Ding Dong kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Lied nicht so präsent im deutschsprachigen Liederwortschatz ist wie die Klassiker auf „Geld oder Leben“. Die große Stärke von „Neppomuk's Rache“ liegt im durchgängig hohen Niveau der Lieder, es gibt keine Ausrutscher. Man könnte auch sagen, dass dieses Album die Essenz der EAV am besten widerspiegelt. Wenn jemand die EAV noch nicht kennt, muss man ihm einfach dieses Album vorspielen. Mit „Neppomuk's Rache“ ist die Verwirklichung der Rock-Comix-Band EAV auf ihrem Höhepunkt angelangt. Die nächsten beiden Studio-Alben waren nur noch der Versuch, dieses Konzept weiterzupflegen, was aber zumindest konzeptuell scheiterte.
Ein Betriebswirtschaftler würde sagen: Die Corporate Identity wurde mit „Neppomuk's Rache“ am besten umgesetzt. Nicht nur die Comics im Booklet tragen dazu bei. Auch die Fernsehauftritte (etwa bei Wetten, dass ...?) und die Musikvideos waren im Wesentlichen Auftritte in einer Comicwelt (welche auf der Bühne meistens auch als solche dargestellt wurde). Auch die Single-Auskopplungen folgen textlich der Dramaturgie eines Comics, es sind musikalisch umgesetzte Comics. Trotz des Blödelns lässt das Album jedoch keinenfalls Satire und Gesellschaftskritik vermissen. Ganz wie in alten Tagen: Witzig und intelligent.
Alles was nach diesem Album kam, kann man nur als Sinnsuche werten. Die EAV sucht nach einem neuen Profil, nach einer neuen Identität. Es scheint so, als ob sie mit dem Album „Frauenluder“ einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht hätten.