Das Geständnis - ein Blick in die Fanseele
Der Auftritt bei Gottschalk & Friends machte mir einiges klar. Ja, wir Fans, wir müssen es erkennen, auch wenn es weh tut: Wir sind Zwangs-Masochisten, wir müssen leiden. Ohne Schmerz geht es nicht. Und damit die Wunde noch mehr nässelt, wird die Fallhöhe schön hoch gesetzt. Das heißt, desto besser die Nachrichten sind, desto grandioser gehen sie baden. Ja, so ist es.
Beispiel 1: Die EAV wechselte endlich die Plattenfirma, ging aber zuerst zu einem Ballermann-verdächtigen Label. Hatte man sich damit abgefunden, hieß es plötzlich, dass alles geplatzt sei. Die EAV ist jetzt bei einem großen Major, welcher richtige Promotion verspricht. Schön, dachte man sich, doch als erstes fand man die EAV auf der Ariola-Homepage neben Heino und Co.
Beispiel 2: Große TV-Termine wurden angekündigt. Aber dann: Carmen Nebel, Fernsehgarten, Sommerhitfestival. Nun gut, Carmen Nebel gucken viele, Fernsehgarten ist wenigstens Cross-Over und Dieter Thomas Heck ist sowieso Kult. Die Fanseele freute sich (heimlich). Bis der Auftritt bei der Nebel kam. Die EAV wirkte zwar glücklicherweise wie ein Fremdkörper, aber nicht wie ein Punk-Sprengkörper, der die Schleimer von der Sangesfront in Grund und Boden spielte, sondern wie ein anbiederndes Ich-mach-es-nur-fürs-Geld-Tischfeuerwerk. Und im Fernsehgarten wünschte man sich, Klaus hätte einen Hecht in den ZDF-Pool gemacht anstatt im Lerchenberger Niemandsland zum Playback zu würfeln.
Beispiel 3: Dass es endlich nach 6-7 Jahren zu einer echten Tournee kommen wird, ist ja schon fast zu schön, um wahr zu sein. Und als dann auch noch Mario Bottazzi als siebter Mann angekündigt wurde, schien der Fan den Gipfel der Glückseligkeit erreicht zu haben. Aber eben nur, um wieder noch tiefer zu fallen. Mario Bottazzi habe doch keine Zeit, heißt es. Schade eigentlich.
Beispiel 4: Endlich kam es zu einem richtig guten TV-Termin: Bei Gottschalk in einer launigen Spätabend-Show, in der der Moderator machen kann, was er will. Es wurde angekündigt, dass es auch zu einem kleinen Talk kommen werde. Nun schaute man sich erwartungsvoll den blonden Mann im weißen Anzug auf zwei roten Sofas an und sah den ersten wirklich guten TV-Auftritt seit Jahren, doch schade, keine Zeit mehr für einen Kurz-Talk mit der EAV. Cliff Richards schnulzte zu viele Schmozetten aus seinem reichhaltigen Lebenswerk auf der Klampfe.
Beispiel 5: Klaus Eberhartinger verbreitet seit neuestem bei vielen PR-Terminen die These, dass die EAV seit „Nie wieder Kunst“ nur noch nebenher laufe und eigentlich nicht mehr voll und ganz von Klaus und Tom betrieben werde. Erst für das Jubiläum habe man sich nochmals zusammengerauft. Aus dieser Aussage zusammen mit der fehlenden PR seitens der EMI machten dann viele Medienvertreter, auch der blonde Mann mit dem weißen Anzug auf den roten Sofas, die Meldung, die EAV habe eine Pause gemacht bzw. sich aufgelöst. Eine Auflösung gab es freilich nie, aber selbst die von Klaus Eberhartinger aufgestellte These des „Nebenprojekts EAV“ wirkt für die Fans merkwürdig, auch wenn sie nur eine Ausrede für die fehlende PR von EMI (in Deutschland) ist. Trotzdem: Warum sagte uns das keiner?
Beispiel 6: Die EAV wurde von einem der beliebtesten Radiosender Münchens, Radio Gong 96,3, zu einem großangelegten Konzertreigen eingeladen. Anläßlich dieses Ereignisses legte der Sender natürlich viel EAV-Musik auf. Auch „God Bless America (Holy Liberatin Warriors - Version)“ wird gespielt, aber in der berüchtigten Shitparade, in der „3 weisse Tauben“ zu fragwürdiger Berühmtheit gelangte. So ein Shit. Nun gut, es gibt ja auch gute Musik in dieser Parade. Und GBA wird immerhin schon seit einer Woche jeden Tag gespielt.
Die Spezies „Echter Held“ ist trotzdem von einem nimmermüden Optimissmus geprägt. Und er hat ja auch genug Gründe dafür: Das Jubiläumsalbum ist gelungen und recht erfolgreich, die Tournee mit neuem Programm steht und immerhin sieht und hört man die EAV hin und wieder in der Öffentlichkeit. Gibt es Heilung für den Zwangs-Masochismus? Um die kleinen Tiefschläge besser verkraften zu können, sollte der „Echte Held“ einfach mal alles gelassener sehen. Desto geringer die Vorfreude, desto höher die Nachfreude. Aber das geht doch nicht. Nicht, wenn es um meine Lieblingsband geht ... Und zum Schluss ist noch Platz für eine handfeste Floskel: Freud und Leid ist bei der EAV nicht sehr weit auseinander.
Autor: Alexander Mayer
Letzte Änderung: 07.07.2005