Notizen über die allgemeine Verunsicherung

Es wird Heller

Wenn der Augenblick sich langsam um den Zufall rankt
und Zärtlichkeit in Stahlbeton ihr Recht verlangt,
wenn tausend dirigierende Tambourmajore dirilieren
im brausenden Rondell der Ignoranz.

Wenn launische Lakaien in morphingetränkter Nacht
des Morgens zarte Einsamkeit gar hämisch ausgelacht,
wenn Falter honigtrunken ihre Schwingen abmontieren,
ja dann, dann wird es heller, doch nicht ganz.

Wenn Worte tänzeln in verschnörkelt reicher Eleganz,
sich winden um der Nichtigkeit banalen Talmiglanz,
wenn Wortmagie sich in der Elfenbeinfabrik verkriecht,
ja dann, dann wird es heller, doch nicht ganz.

Wenn lüstern der Satyr versonnen seine Zähne bleckt,
und kahl vor Gram die Obrigkeit sich ihre Wunden leckt,
wenn kaiserliche Unzucht keifend um den Ablaß feilscht
im plüschernen Exil der Nostalgie.

Und wenn der Weltschmerz sich in einem eigenen Spiegelbild verdingt,
und Rilke Doppelsalti in der Zirkuskuppel springt,
dann lädt die Eitelkeit den Ausverkauf zum Stelldichein,
der Scharlatan stellt dem Genie ein Bein.

Wenn Worte tänzeln, in verschnörkelter Eleganz
sich winden um der Richtigkeit banalen Talmiglanz,
wenn Wortmagie sich in der Elfenbeinfabrik verkriecht,
ja dann, dann wird es heller, diesmal ganz.

Gott denkt in den Genies,
er träumt in den Dichtern
und er schläft
in den übrigen Menschen.

Credits

Text: Schiffkowitz
Musik: Schiffkowitz, Michael Millner
Sänger: Eik Breit
Produzent: EAV

Bemerkungen

Rainer Maria Rilke (1875-1926) war einer der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache (eines der bekanntesten Gedichte: „Der Panther“). „'Satyrn', in der griechischen Mythologie Waldgeister im Gefolge des Dionysos sind mutwillige Gesellen von robuster, ungeschlachter Gestalt, mit struppigem Haar, stumpfer, aufgeworfener Nase, zugespitzten Ohren und einem Ziegenschwänzchen oder kleinen Pferdeschweif“ (Zitat aus Wikipedia). „Talmiglanz“ = „unechter Glanz“. André Heller (geb. 1947), der mit diesem Lied parodiert wird, ist ein österreichischer Schauspieler, Chanson-Sänger und Künstler. Die letzte Strophe („Gott denkt in den Genies, ...“) ist ein Zitat von Peter Altenberg, mit dem André Heller oft seine Konzerte beendete.

Publikationen

Diese Produktion ist auf folgenden Publikationen erschienen:

Varianten

Folgende Varianten dieses Liedes existieren:

Live

Dieses Lied wurde live in folgenden Varianten gespielt (Liste nicht vollständig):

TV-/Radio-Auftritte